Hannah

von Binjamin Zwi.

Klappentext von Hannah

Die Berliner Jüdin Hannah Epstein und ihre große Liebe Hans Mangold haben die nationalsozialistische Judenvernichtung mit viel Glück im Berliner Untergrund überlebt. Hans’ totgeglaubter Vater betreibt in der Schweiz eine Vermögensverwaltung, holt Hans ins Geschäft, und dieser holt bald seine Hannah zu sich in die Schweiz. Sie heiraten im August 1952; im November 1952 kommt ihr Sohn Samuel auf die Welt. Das Foto auf dem Buchtitel stammt aus dieser Zeit. Dies ist die Geschichte von Hans, Hannah und Samuel, erzählt von Hannah, eine Geschichte von märchenhaftem Reichtum und Glück. Aber es ist kein Märchen. Es ist Hannahs Lebensgeschichte, aufgezeichnet von einem ihrer Nachkommen anhand eines Entwurfs in ihrem Nachlass. Binjamin Zwi war ein Cousin von Hannah. Er wurde 1940 mit 23 von den Nationalsozialisten ermordet. Der Autor bewahrt sein Andenken. Daher hat er als Autorfoto eine metahumane Adaption einer Fotografie von Binjamin Zwi von 1940 gewählt.

Infos & Links:

Genre(s): Drama, Familiensaga, Familienroman, Gesellschaftsoman, Historischer Roman, Liebesroman
Ausgaben: Taschenbuch

Taschenbuch: ISBN 978-3910325241 – S. 330
Verlag Angelika Gontadse

Leseprobe
Mein Name ist Hannah. Ich bin Jüdin. Ich erwähne es hier gleich am Anfang, denn es hat mein Leben geprägt. Und in diesem Buch geht es um mich und um mein Leben – alles in allem ein glückliches Leben, auch wenn es erst nicht so aussah. Doch dann hat sich der Erfolg eingestellt, und wir gehören heute zur Oberschicht.
Für alle sichtbar wurde unser Glück, als mein Mann Hans und ich in Freiburg eine der schönsten Villen dort kauften. Damals trug sie den schönen Namen Villa Else, benannt nach Else Weil, die dort einst mit ihrem Mann lebte. Nun sitze ich hier in der Villa Mangold – die heute unseren Familiennamen trägt – an meinem Schreibtisch und schreibe in meinem eleganten Arbeitszimmer an diesem Buch und lasse mein Leben Revue passieren.
Heute ist es ein ganz normales Gefühl, sich als Jüdin frei draußen auf der Straße zu be-wegen. Es sieht einem ja niemand an, und Juden werden längst nicht mehr in der Öffentlich-keit gedemütigt. Nur ich selbst weiß eben, wer ich bin und dass meine heutige Freiheit alles andere als selbstverständlich ist.
Natürlich gibt es den Antisemitismus schon lange. Er hat sich tief und fest in weite Tei-le der Gesellschaft hineingefressen und sich dort wie ein Bazillus eingenistet. Niemand sollte also denken, dass wir diese Form des Barbarismus endgültig überwunden haben. Manche Leute brauchen eben ihre Vorurteile, und einige wenige setzen sie sogar in die Tat um. Aber das ist heute selten geworden; gleich erhebt sich in solchen Fällen ein gesellschaftlicher Aufschrei.
Aber als ich ein Kind war, wurde man für seine Herkunft nicht nur belästigt, sondern ermordet. Es ist nicht einmal lange her. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Ich war um die 12. Es wird mir für immer in den Knochen stecken, so friedlich die Verhältnisse inzwischen auch sind.
Ich war ein bildhübsches Mädel, bereit für die erste große Liebe. Doch daraus wurde nichts. Mein Traum platzte, als der Krieg begann. Mein Volk wurde gejagt, verschleppt und zum großen Teil ermordet, obwohl wir doch gar keine Kriegspartei waren. So viele Men-schen, Buben und Mädel, aber auch Mütter und Väter wurden bestialisch ermordet – bis in die letzten Kriegstage hinein, als der Krieg längst verloren war.
Ich und meine Familie hatten Glück. Gemeinsam mit ein paar wenigen anderen konn-ten wir einem Todeszug entkommen, uns verstecken und diese grauenhafte Zeit überleben.
Wir waren aus unserem Zuhause verschleppt, vom Nazi wie Dreck behandelt worden. Mancher wurde ermordet, weil er sich weigerte, sein Heim zu verlassen. Wir waren in sogenannte Umsiedlungslager gekommen, dann wie dreckiges, stinkendes Vieh in Eisen-bahnwaggons getrieben worden. In einem Waggon waren so viele Menschen, dass man sich nicht hinsetzen oder gar sein Geschäft verrichten konnte. Man ließ es einfach laufen und versuchte zu überleben. Wer überlebte, kam in ein Internierungslager und überlebte auch dies, wenn er Glück hatte.
Wir hatten Glück. Unser Zug wurde von Kampffliegern angegriffen und entgleiste. Wir suchten Unterschlupf in einem verlassenen Gehöft, und eine kleine Gruppe von uns wagte sich auf den Rückweg nach Berlin. Dort gab es eine Zuflucht. Viele von uns überlebten dort dank unseres Helden Eliam Katzenstein. Er war der Anführer in der Zuflucht und nahm uns auf.
Karl, ein junger Wehrmachtssoldat, tötete sogar einen Kameraden, um Eliam Katzen-stein und Adam, meinen Bruder, zu retten. Karl und Eliam waren vor dem Krieg beste Freunde gewesen und hatten einander bei ihrem Blute ewige Freundschaft geschworen. Nun bewies Karl seine Treue, indem er unseren Feind tötete, auch wenn es nur ein einzelner Soldat war.
Als Eliam damals den Schuss aus Karls Waffe hörte, dachte er erst, Karl habe sich selbst erschossen, und er und Adam blieben jahrelang in diesem Glauben, denn sie flohen, so rasch ihre Beine sie trugen. Erst in den letzten Kriegstagen fand Eliam heraus, dass Karl noch lebte und rettete ihm nun seinerseits das Leben.
Karl war desertiert, da er keinen Sinn in einem nutzlosen Krieg sah und diesen auch nie gewollt hatte. Er wurde aufgegriffen und sollte an einer der Laternen in der Wilhelmstraße Nähe Reichskanzlei aufgeknüpft werden. Doch er stolperte benommen und fast verhungert vor Eliams Geländewagen und konnte im Bombenhagel entkommen, weil die Soldaten, die ihn hängen sollten, fast noch Jugendliche waren und abhauten. Karl ließen sie unverrichteter Dinge zurück.
Ja, Eliam war unser Held. Er wollte das aber nicht hören. Er ging nach dem Krieg nach Holland, um seine Freundin Rachel zu suchen.
Auch in einer Ära des Schreckens bleibt die Zeit nicht stehen. Trotz aller Bedrohungen muss das Leben weitergehen. Wer das Ganze schließlich überstehen und am Ende zu den Überlebenden gehören will, darf nicht aufgeben, niemals. Es finden sich immer wieder Verbündete und Gerechte. Sie werden nicht allein gelassen, sondern finden Verbündete, Gerechte sogar. Ich fand im Überlebenskampf meinen geliebten Mann Hans Mangold. Ihn heiratete ich später. […]

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Genre(s): Drama, Familiensaga, Familienroman, Gesellschaftsoman, Historischer Roman, Liebesroman
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Taschenbuch: ISBN 978-3910325241 – S. 330
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