von Tino Dietrich
Klappentext zu Kurzgeschriebenes Band 1
8 spannende Kurzgeschichten mit traurigem Unterton aus dem Norden. Das Schicksal schlägt immer dann zu, wenn es am wenigsten erwartet wird. Vielleicht lauert der Mörder an genau der Straßenecke, wo der tägliche Arbeitsweg entlang führt. Auch die eigene, vermeintlich sichere Wohnung mit dem geliebten Haustier könnte der entscheidende Ort sein. Gestorben wird bekanntlich immer … und überall.
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Leseprobe Ein Auszug aus meiner Kurzgeschichte Unser Herr Diehsel aus Kurzgeschriebenes Band 1. Es ist Donnerstag, früh am Morgen. Am morgigen Tag endet eine weitere Woche. Ich stehe mit Sarah an der Bushaltestelle. Sie freut sich und wird mit jeder Minute zappeliger. Aber sie bleibt an meiner Hand. Ich habe ihr nur einmal erklärt, wie gefährlich es an einer Straße sein kann. Seitdem nimmt Sarah freiwillig meine Hand, wenn wir auf den Gehwegen unterwegs sind. Darüber bin ich froh. Häufig beobachten wir beim kollektiven Warten auf den Bus die anderen Kinder. Die Jungs sind meistens ziemlich wild und toben auf dem Gehweg, während die Eltern in Gruppen über dieses und jenes reden. Die Mädchen sind eher ruhiger. Sie toben seltener mit den Jungs zusammen. Sie sind meistens mehr unter sich. Heute ist es allerdings leiser. Von der Schule habe ich erfahren, dass die Grippe kursiert. Das ist gestern mit einer Info-Mail der Elternvertretung gekommen. Ganz praktisch, wenn man nicht viel Zeit hat. Oder keine Lust. Sollte ich nicht verpflichtend einer Theateraufführung von Sarah beiwohnen oder mir das jährliche Weihnachtsbasteln aufgehalst haben, pflege ich meine Zeit so zu gestalten, dass der Haushalt, Job und meine Tochter in imaginär eingeteilten Zeitfenstern gut umsorgt sind. Ich träume vor mich hin, verliere mich in der Zeit, als jemand an meinem Arm zieht. »Papa, wo ist denn der Bus?« Sarah sieht mich erwartungsvoll an. Ich blicke auf das große schwarz-weiße Ziffernblatt der turmartigen Uhr gegenüber, auf der anderen Straßenseite. Fast zwei Minuten war noch Zeit. »Er hat noch etwas Zeit, mein Spatz.« »Da ist er ja!« Sarah macht ein paar Hopser vor Freude und lacht. Soeben kam der Bus um die Ecke gerollt, nachdem er an der Straßenkreuzung noch ein paar Fußgänger vorbeilassen musste. »Habe ich dir ja gesagt.« Direkt vor uns hält Herr Diehsel den Bus an und öffnet unter zischender Druckluft die Türen. »Guten Morgen«, sagt Herr Diehsel mit lauter Stimme, um den Motorenlärm zu übertrumpfen, und nickt uns zu. »Moin Herr Diehsel!« Ich antworte lauter als gedacht. Ich sehe wohl ziemlich erschrocken aus, denn der nette Busfahrer lacht laut und winkt Sarah in den Bus herein. »Komm, Kleine, steig ein. Wir müssen los. Die anderen Kinder wollen auch abgeholt werden«, sagt er, während sein Lachen langsam verstummt. »Ich weiß das wohl«, sagt Sarah und stemmt ihre kleinen Hände in die Hüfte, um ihre Antwort in aller Deutlichkeit zu untermalen. »Tschüss Papa!« Sie gibt mir einen flüchtigen Kuss und folgt den Anweisungen von Herrn Diehsel. »Tschüss, meine kleine Prinzessin«, erwidere ich. »Guten Morgen Herr Diehsel!« Erst jetzt grüßt meine Tochter zurück. Danach schließen sich die Türen und der Bus rollt an. Ich nicke unserem Busfahrer zu, was er lächelnd erwidert und sich dann auf den Verkehr konzentriert. Sarah sitzt ganz vorn am Fenster und winkt mir zu. Ich hebe die Hand, ohne sie hin und her zu schwenken. Dabei fällt mir auf, besonders viele Kinder sind heute nicht im Bus. Wohl der Grippe wegen. Er wirkt unheimlich leer. Die Handvoll mitfahrender Kinder haben sich großzügig im Fahrgastraum verteilt. Ein Junge drückt sein Gesicht an die Fensterscheibe. Als der Busfahrer auf das Pedal tritt, um aus der Haltebucht zu fahren, rutscht das Gesicht bis an den Fensterrand. Eine Spur aus Speichel demonstriert eine fast gerade Linie bis zum Mund des Jungen. Innerlich denk ich nur: »Echt jetzt?« Die übrigen Kinder scheinen noch zu schlafen, wenn auch mit offenen Augen. Sarah schaut mich noch einen Moment lang an, blickt dann nach vorn. Ich warte noch, bis der Bus an der Kreuzung rechts einbiegt. So mache ich es immer. Heute habe ich frei, kann mich endlich mal etwas ausruhen. Doch erst muss ich noch die Schmutzwäsche waschen und aufhängen, kurz Staubsaugen, den Abwasch bezwingen und die Wohnung lüften. Ach ja, einkaufen muss ich auch noch. Mein vermeintlich freier Tag erweist sich als normaler Tag, nur ohne zur Arbeit zu müssen. Während ich mein Pflichtprogramm fast vollautomatisch abarbeite, habe ich Zeit über dieses und jenes nachzudenken. Auch über Herrn Diehsel. Er hat immer gute Laune, ist stets pünktlich und steuerte den Schulbus bereits, als ich vor etlichen Jahren ein Schüler war. Damals drehte er die Lautstärke des Radios im Bus oft sehr laut und sang einige Lieder mit. Wir Kinder mussten dann immer über seine Grimassen lachen, die er dabei machte. Das konnte man sehr gut in der spiegelnden Windschutzscheibe sehen. Manchmal erzählte er auch Witze über das Mikrofon im Bus. Man hörte deutlich seine Stimme, doch verstand ich nicht jeden Witz. Damit war ich zum Glück nicht allein. Herrn Diehsel machte das nichts aus, wenn er es bemerkte. Er lachte dann umso mehr über seinen eigenen Witz. Dabei fällt mir auf, dass er auch nicht zu altern scheint. Er sieht noch immer so aus wie damals. Manchmal möchte ich ihn einfach dafür danken, wie er sich immer um die Sicherheit unserer Kinder bemüht. Auch dafür, dass er mich damals mit seiner witzigen und albernen Art bespaßt hat. Und jetzt für meine Tochter. Ich kenne ihn fast mein ganzes Leben. Jeden Tag nach der Schule erzählt mir Sarah, was Herr Diehsel wieder Lustiges angestellt hat. Am besten mach ich das gleich heute, wenn ich meine Tochter vom Bus abhole. Da kann ich Herrn Diesel dann endlich meinen Dank aussprechen. Da bin ich schon wieder unterwegs. Meinen freien Tag nutze ich dann doch nicht zum Entspannen. Gleich bin ich an der Schulbus-Haltestelle. Der kommt auch schon in wenigen Minuten. Mich beruhigt, dass ich den Haushalt wieder auf Vordermann gebracht habe. So ist es am Wochenende weniger, hat ja auch was Gutes. Am Nachmittag stehen hier heute tatsächlich mehr wartende Eltern herum, als es am Vormittag der Fall war. Ist das mit der Erkältungswelle wohl doch nicht so dramatisch, wie von der Elternvertretung angepriesen? Da ist er, der Bus. Pünktlich wie immer, stelle ich mit dem Blick auf die Uhr fest. Hamburgs Straßen sind chronisch verstopft und laut. Wie Herr Diehsel es trotzdem schafft, immer pünktlich vorzufahren, bleibt ein Mysterium. Sarah steigt als Letztes aus der vorderen Tür. Sie springt mir in die Arme und beginnt sofort zu erzählen, dass sie heute multiplizieren in der Schule gelernt hat. Ich widmete meine Aufmerksamkeit erst Sarah, dann kurz unseren Busfahrer, um ihm zu danken. Zu spät. Die Türen sind zu und er fährt bereits los. Mist, verpasst. »Dann eben morgen«, denke ich mir und widme mich wieder meiner Tochter, die ich auf den Boden absetze, da sie mir zu schwer wird. Ganz nebenbei greift sie meine Hand, als wir uns auf dem Weg nach Hause machen. Freitag früh. Ich spüre jeden einzelnen Knochen in mir. Habe es wohl gestern mit der Hausarbeit übertrieben. Oder vielleicht zu doll mit Sarah getobt. Während ich mich langsam durch die kleine Wohnung bewege, bestätige ich mir selbst, dass meine Wehwehchen einer Kombination aus Toben und Haushalt entstammen. Auf dem Klo höre ich meine Tochter in ihrem Zimmer reden. Sie ist heute schon vor mir aufgestanden und durch die Wohnung gedüst. Eigentlich auch kein Wunder, dass die Kleine schon so mobil ist. Sie ist ja auch gestern nach dem Abendbrot ziemlich früh eingeschlafen, vollkommen platt. Nachdem ich sie ins Bett getragen habe, schlief ich, wie meine Tochter es vor mir tat, auf dem Sofa ein. Und genau dort bin ich aufgewacht. Mit prall gefüllter Blase und Muskelkater. Nach einem kleinen Frühstück mit gebuttertem Toast und Marmelade machen wir uns fertig, um den Schulbus nicht zu verpassen. Ranzen gepackt, Jacke und Schuhe an, abmarschbereit. Auf dem Weg zum Bus kommen wir an einem Plakat vom Reisebüro, das ein paar Straßen weiter seinen Geschäften nachgeht, vorbei. Die Botschaft ist deutlich: Jetzt Winterurlaub buchen und sparen! Von der Werbung animiert unterhalten wir uns über den Traumurlaub schlechthin. Nicht über irgendeinen Urlaub. Da hat ja jeder seine ganz eigene Vorstellung. Sogar wir. An der Bushaltestelle prüfe ich zuerst mal die Uhrzeit. Schließlich kann man bei so intensiven Gesprächen auch mal die Zeit vergessen. Aber alles im Lot. Zwei Minuten vor der Zeit. Ich bemerke einen rothaarigen Jungen, den ich noch nie zuvor gesehen habe. Er muss so in Sarahs Alter sein. Neun, vielleicht auch etwas jünger. Jungs sehen selten so alt aus, wie sie tatsächlich sind. Während ich durch die Gegend schaue, fällt mein Blick erneut auf die große Uhr gegenüber. »Zu spät«, sage ich leise. »Was?« Sarah zog an meiner Hand. »Der Bus«, sage ich. »Was ist mit dem Bus?« »Der Bus ist zu spät«, antworte ich. Sarah schaut nun selbst zur Uhr hinüber. Einen Moment später kommen noch zwei Jungs angerannt. Sie werden langsamer, als sie uns sehen. »Herr Diehsel kommt niemals zu spät«, schimpft Sarah. »Vielleicht hat er ja auch die Grippe bekommen«, sage ich, nach einer Erklärung suchend. »Kann sein.« Mehr sagt sie nicht. Sie starrt unentwegt in die Richtung, aus der der Bus kommen muss. Die Sonne scheint ihr dabei direkt ins Gesicht. Mit zugekniffenen Augen, einen winzigen Spalt zum Gucken geöffnet, stellt sie sich den Sonnenstrahlen entgegen. Die Jungs an der Bushaltestelle bilden eine Dreiergruppe. Sie besprechen die Lage und gehen zu Fuß los, damit sie nicht zu spät zum Unterricht erscheinen. Ich überlege auch, ob wir nicht loslaufen sollen. Doch zu warten erscheint mir als die bessere Lösung. Also warten wir. Zehn Minuten, zwanzig Minuten. Das reicht. Ich halte laut pfeifend ein Taxi an. Dem Fahrer gebe ich einen Zwanzigeuroschein und nenne ihm die Adresse der Schule. Er weiß, wo das ist. Sarah und ich setzen uns auf die Rückbank. Ich ziehe die Tür schwungvoll zu und wir fahren mit dem Taxi los zur Schule. Unterwegs rufe ich das Sekretariat an, damit die Lehrerin über die Verspätung meiner Tochter informiert wird. Als wir dort ankommen, verabschiede ich mich mit einem Kuss auf die Stirn von meiner Tochter. Sie eilt in das alte vergraute Schulgebäude mit den vielen Fenstern. Ich fahre mit demselben Taxi zurück, bis vor die Haustür. Eigentlich sollte ich schon längst auf der Arbeit sein. Aber ich gehe erst mal nach oben. In der Wohnung mache mir einen Kaffee und treffe dabei die Entscheidung, mich für heute krank zu melden. Ich gehe zum Telefon, wähle die eingespeicherte Nummer vom Chef aus und drücke auf die grüne Taste mit dem Hörersymbol drauf und melde mich für heute krank. Außer mir gute Besserung zu wünschen und die Äußerung, dass ich schnell wieder gesund werden soll, sagt mir der Boss zum Glück nichts. Danach suche ich die Telefonnummer vom Busunternehmen aus einem Branchenbuch heraus. Ich möchte unbedingt in Erfahrung bringen, was mit Herrn Diehsel ist. Der Anschluss ist besetzt. Auch durch wiederholtes Drücken der Wahlwiederholung ist kein Durchkommen möglich. Ich gebe mich geschlagen, schalte das Radio ein und lasse mich auf das Sofa fallen. Musik ertönt. John Lennon mit »Imagine« glaube ich zu hören. Ein ungutes Gefühl steigt in mir auf. Ich muss die Augen schließen. Alles dreht sich. Ich fühle mich wie kurz vor einer Operation im Krankenhaus. Es ist also eine Art Angst, die ich spüre. Oder ich hab ein Kreislaufproblem. Ich lenke mich ab, denke nach. Dass Herr Diehsel einmal zu spät kommt, habe ich zwar nicht erwartet, aber es musste ja irgendwann der Tag kommen. Und der ist heute. Ich mache eine Entspannungsübung. Die habe ich während der langen Scheidungsphase von meiner Frau durch einen Therapeuten gelernt. Ich ärgere mich noch heute darüber, dass sie uns einfach hat sitzen lassen, wegen eines anderen Kerls. In Gedanken stelle ich mir ein schönes Bild vor. Der gemeinsame Strandurlaub funktioniert hier am besten. Sarah badet überglücklich in der Ostsee und ich sehe ihr dabei zu. Diese Vorstellung ist deswegen schön, weil meine Tochter niemals in der dunklen See planschen wollte. Es war ihr unheimlich, dass sie den Grund nicht sehen konnte. Aber das legte sich schnell, sobald sie erstmals nasse Füßchen bekam. Dieses Bild beruhigt mich. Mir ist, als klopft es in meiner Fantasie. Da, schon wieder! Schnell verstehe ich, was los ist. Das Klopfen kommt von der Wohnungstür. Ich bin wohl für einen kleinen Moment eingenickt. Während die Wirkung meiner Entspannungsübung langsam aus meinem Körper entweicht, öffne ich die Tür. »Sarah, was machst du denn schon hier?« Ich schaue verwirrt auf die digitale Uhr neben der Garderobe an der Wand. Halb elf und viel zu früh für Sarah. ENDE der Leseprobe
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Geschichten Aus Dem Alltag.
Am meisten packte mich die Geschichte „In Liebe, Terri“. Da ich selbst mal eine Hündin hatte und ich sie sehr vermisse, kann ich mich da am Besten hineinversetzen. Es lohnt sich auch mal Bücher von einem mir bisher nicht bekannten Autor zu lesen. Ich freue mich schon auf das nächste Buch.
Ich gebe dem Buch 4 von 5 Sterne.